Germany’s culture minister: ‘Beethoven did not stop us becoming Hitler’s willing executioners’

Germany’s culture minister: ‘Beethoven did not stop us becoming Hitler’s willing executioners’

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norman lebrecht

October 26, 2014

Monika Grütters, the German minister of culture, held London’s arts leadership in thrall last week at the British Museum opening of ‘Germany: memories of a nation’ at the British Museum.

Speaking from a bi-lingual text she had clearly written herself, Professor Grütters acknowledged Germany’s responsibility for both world wars and pointedly used the term ‘Hitler’s willing executioners’ to state that many Germans were enthusiastic participants in genocide. Germany, a nation defined by culture was – she said – also defiled by it.

She went on to thank the British occupation forces for helping Germany build its democracy after 1945.

The speech, a landmark in Anglo-German relations, passed totally unnoticed by the British media – itself a landmark moment in the trivialisation of British public debate.

We have obtained a text of the speech and urge you to read. it. Professor Gruetters departed several times from this script to underline her radical and vitally constructive opinions.

BritishMuseumGrttersTour

 

 

“It might not always be very flattering to see oneself through the eyes of another, but it has great appeal. An outsider’s view can shine light on facets of one’s own identity that have fallen into obscurity. Being mirrored in the eyes of the other touches us emotionally if we sense the warm-hearted enquiry and genuine interest of a friend.

That is how I felt just now, Neil, as we were walking around the exhibition Germany: Memories of a Nation. What impressed me was not just the diversity of the exhibits, which slot together – like meticulously matching pieces of a jigsaw – to create such a broad, detailed picture of Germany. As a German, I am also impressed by the attitude that speaks through the image: the will to paint a differentiated, honest picture of German history,

in a year that has been marked – quite rightly – by remembrance of the inconceivable suffering Germany inflicted on Europe in the First and Second World Wars. I thank you for that, Neil, and also you, Sir Richard Lambert, as well as the outstanding team of curators around Barrie Cook, the generous sponsors and all the others at the British Museum who have devoted their time to Memories of a Nation.

It is an honour for me to represent the Federal Government today in opening this exhibition together with you, and to bring warm greetings, also on behalf of Federal Chancellor Angela Merkel. Allow me, please, to continue in German – taking my cue from the words of a German poet.

Eine der pointierteste Beschreibungen des Unterschieds zwischen Deutschland und anderen Nationen stammt aus dem Gedichtzyklus „Deutschland – ein Wintermärchen“ von unserem großen Dichter Heinrich Heine. Er schrieb im Jahr 1844:

„Franzosen und Russen gehört das Land,

Das Meer gehört den Briten,

Wir aber besitzen im Luftreich des Traums

Die Herrschaft unbestritten.

Hier üben wir die Hegemonie,

Hier sind wir unzerstückelt;

Die andern Völker haben sich

Auf platter Erde entwickelt.“

Es waren Künstler und Geistesgrößen, die mit so viel Neid auf erfolgreiche und selbstbewusste Völker wie England und Frankreich in ihrer nicht nur territorialen Geschlossenheit schauten. Im „Luftreich des Traumes“ dagegen stand die Wiege des deutschen Nationalstaats. Heinrich Heine spielt damit auf den deutschen Idealismus an, in dem die Einheit der deutschen Nation im Geiste – in der Philosophie und in der Kultur – beschworen wird.

Eben weil Deutschland im Gegensatz zu anderen europäischen Nationen zu dieser Zeit noch in Kleinstaaten zersplittert war, spielte die Kultur als „geistiges Band“ eine so große Rolle. Und es waren Künstler, Schriftsteller und Intellektuelle, die große gesellschaftliche Umbrüche geistig vorbereiteten – teilweise unter Einsatz ihres Lebens. So war Deutschland zuerst eine Kulturnation, bevor es eine politische Nation wurde.

Es gehört zu den großen Verdiensten Ihrer Ausstellung, dass sie historische Eigenheiten anschaulich macht, daneben aber auch all die anderen Facetten deutscher Identität nicht zu kurz kommen lässt, darunter die lange vorherrschende Untertanenmentalität, die die beispiellosen Menschheitsverbrechen der Nationalsozialisten möglich gemacht hat. Das ist ja gerade das Unbegreifliche: Das intellektuelle und kulturelle Erbe großer Geister und schöpferischer Genies wie Goethe und Schiller, Heinrich Heine, Kant und Kafka, Bach und Beethoven konnte die Mehrheit der Deutschen nicht davor bewahren, zu „Hitlers willigen Vollstreckern“ zu werden. In diesem verstörenden Nebeneinander von menschlicher Größe und unmenschlicher Verrohung tritt das Dunkel der Jahre 1933 bis 1945 umso deutlicher zutage.

Aber: Wir haben in Deutschland aus unserer Geschichte gelernt. Aus zwei Diktaturen – der Nazi-und der DDR-Zeit – haben wir eine Lehre gezogen:
Im Artikel 5 unseres Grundgesetzes, mit einem hohen, prominenten Verfassungsrang also heißt es: „Kultur und Wissenschaft sind frei.“

 

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Wir wissen, dass wir die Künstler, die Kreativen, die Vor- und Querdenker als kritisches Korrektiv unserer Gesellschaft brauchen, als Stachel im Fleisch der Demokratie. Sie sind es, die Grenzen ausloten, die provozieren, die hinterfragen und die damit verhindern, dass intellektuelle Trägheit und politische Bequemlichkeit die Demokratie einschläfern. Die Freiheit und Vielfalt der Kunst und Kultur zu sichern und so jedem neuerlichen Totalitarismus vorzubeugen, das ist deshalb oberster Grundsatz unserer Kulturpolitik.

Wie auch immer man das Verhältnis von Licht und Dunkel im Deutschlandbild der Ausstellung „Germany: Memories of a Nation“ bewerten mag, meine Damen und Herren – es wird sicherlich für lebhafte Debatten sorgen, und das kann man einer solchen Ausstellung auch nur wünschen. Denn sie trägt damit zu einer europäischen Erinnerungskultur im besten, im demokratischen Sinne bei.

Heute sieht sich Deutschland als Partner in Europa und der Welt. Unser Bekenntnis zu einem vereinten Europa verbinden wir mit der großen Hoffnung, dass auch und gerade Großbritannien in Europa weiterhin eine starke Stimme sein möge. Wir brauchen Großbritannien nicht nur als politische Kraft, meine Damen und Herren! Wir brauchen Ihr Land mit seiner langen Tradition der Demokratie und der Freiheit auch, um den Kulturraum Europa mit Leben zu erfüllen. Gerade wir Deutschen werben dafür, denn Großbritannien hat entscheidend dazu beigetragen, dass das politisch und wirtschaftlich zerstörte und auch geistig und moralisch verwüstete Deutschland nach dem 2. Weltkrieg wieder auf die Beine kam. Das werden wir Ihnen niemals vergessen!

Wie gegenwärtig dieses Geschenk Großbritanniens immer noch ist, illustriert ein bemerkenswerter Bucherfolg: Gerade jetzt steht in Deutschland ein Zeitdokument auf den Bestsellerlisten, das die britische Sicht auf die Deutschen aus der Perspektive der Besatzer vor genau 70 Jahren offenbart. „Instructions for British Servicemen in Germany 1944“, heißt das schmale Büchlein, das vom britischen Außenministerium rund fünf Monate nach der Landung der Westalliierten in der Normandie gedruckt wurde, um den Soldaten im feindlichen deutschen Gebiet Orientierung zu geben und sie auf ihre Aufgaben vorzubereiten.

There are some odd observations here, such as: “They look like us, except that there are fewer of the wiry type and more big, fleshy, fair-haired men and women (…).”

The Germans, it is claimed, cannot make a cup of tea, but they do know a thing or two about coffee; while German sentimentality is a bit of a mystery: “Even childless old couples insist on having their Christmas tree.”

But most of all – and that’s what makes it so moving to read – in the face of all the atrocities for which Germany was to blame, this pamphlet appeals for a democratic, civilised response, for fairness and humanity. I quote:

“It is good for the Germans (…) to see that soldiers of the British democracy are self-controlled and self-respecting, that in dealing with a conquered nation they can be firm, fair and decent. The Germans will have to become fair and decent themselves, if we are to live with them in peace later on.”

Nowadays, remembrance and a systematic reappraisal of our past form an essential part of our cultural policy and of the way we understand ourselves as a nation. “Culture”, in my understanding, includes an ethical component, because culture is not simply a location factor, but an expression of humanity.

We in Germany have learned to prize and to love liberty and democracy, ladies and gentlemen. Britain has done all in its power to help us with that.

As a consequence, our nations have drawn closer again.

Today we are able to note with pleasure that this superb exhibition at the British Museum addresses German history and culture in all its rich facets, and contemplates Germany from the perspective of a friend.

How fortunate we are!”

 

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